Berlin. Der aktuelle Entwurf der 56. Verordnung zur Änderung straßenrechtlicher Vorschriften (StVO) geht nach Ansicht von ZDK-Präsident Arne Joswig weit an der Lebensrealität des Großteils der Bevölkerung vorbei. „Den Kommunen wird ein Instrument an die Hand gegeben, noch leichter den Autoverkehr aus den Ballungsräumen zu verdrängen, ohne die Bedürfnisse von Pendlerinnen und Pendlern sowie Handwerks- und Gewerbetreibenden angemessen berücksichtigen zu müssen“, bemängelt der ZDK-Präsident den Entwurf, der heute im Verkehrsausschuss des Bundesrats beraten wird.
„Statt Multimodalität zu fördern, wird der Verkehrsträger Automobil vehement bekämpft. Es wäre zielführender, durch Anreize eine Infrastruktur zu schaffen, die allen Nutzerinnen und Nutzern die für jeden Bedarf zweckmäßige Mobilitätsform bietet, vom Automobil über den Öffentlichen Nahverkehr bis hin zum Fahrrad.“
Anwohnerparkgebiete für Mittelstand und Beschäftigte öffnen
In der geänderten Verordnung ist vorgesehen, den Kommunen mehr Freiheit bei der Vergabe von Anwohnerparkausweisen zu gewähren. Darunter würden nach Ansicht des ZDK insbesondere die kleineren Betriebe in Ballungsräumen leiden. „Für den Mittelstand ist es durch mehr und mehr Anwohnerparkgebiete kaum möglich, ausreichend Stellplätze für die Beschäftigten und den gewerblichen Fuhrpark zu finden“, so Joswig. „Es muss dabei auch möglich sein, diese an das anliegende Gewerbe zu vergeben.“ Hier biete sich die Regelung von tageszeitabhängigen Ausweisen als eine mögliche Lösung an.
„Auch hier vernachlässigt der Entwurf die Bedürfnisse einer berufspendelnden Bevölkerung gegenüber einer rein städtischen Klientel“, kritisiert der ZDK-Präsident den Änderungsvorschlag. Die Neuregelung beziehe sich ausschließlich auf städtische Quartiere. Dies lasse außer Acht, dass Parkdruck auch in ländlichen Siedlungsgebieten bestehe, etwa für Pendler an Bahnhöfen. Im Entwurf fehle es an Konzepten, die Kommunen in die Pflicht zum Ausbau etwa von ausreichenden Park & Ride-Systemen zu nehmen. „Bevor jedoch der motorisierte Individualverkehr weiter aus der Stadt gedrängt wird, muss erstens der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) so aufgestellt sein, dass er diese Zusatzbelastung verlässlich tragen kann. Und zweitens müssen weitere Angebote für diejenigen geschafft werden, die auf ihr Auto angewiesen sind“, so der ZDK-Präsident.
Tempo-30-Zonen sinnvoll definieren
Auch beim Thema „Tempo-30-Zonen“ schießt der Änderungsentwurf nach Meinung des ZDK über das wichtige Ziel hinaus, vulnerable Gruppen zu schützen. So seien Tempo-30-Zonen zum Schutz von Einrichtungen wie Schulen, Senioren- und Pflegeheimen von 50 Metern vor und hinter diesen Orten richtig und wichtig. Der jetzige Änderungsentwurf räume den Kommunen jedoch weitreichende Kompetenzen darüber hinaus ein. „Das Ausweisen von Tempo-30-Zonen von bis zu 500 Metern aus Gründen des Umweltschutzes kann sich nicht nur kontraproduktiv, sondern unter Umständen auch für schützenswerte Gruppen negativ auswirken“, so Joswig. Diese Gängelung könne schnell zu Unverständnis und Missachtung der gut gemeinten Regelung führen, und das sei kontraproduktiv.
Sonderfahrstreifen auch für Plug-in-Hybride und Pkw mit mehreren Insassen freigeben
Im Entwurf würden Potentiale wie die Neuregelung von Sonderfahrstreifen nicht ausgeschöpft. So sollten diese nicht nur für rein batterieelektrische Fahrzeuge freigegeben werden, sondern auch für Plug-In-Hybride (PHEVs), die in geografisch definierten Zonen automatisch auf den elektrischen Betrieb umsteigen können, sowie für Pkw mit zwei oder mehr Insassen.
ZDK-Präsident Joswig: „Die StVO-Novelle ist kaum mehr als eine einseitige Gängelung des motorisierten Individualverkehrs und weit entfernt von dem Anspruch, das gleichberechtigte Verkehrsgeschehen in Deutschland zu lenken.“