Offener Brief: Unternehmen und Verbände zum Carbon-Correction-Factor

Dazu sagt ZDK-Präsident Arne Joswig: „Um überhaupt die ambitionierten Klimaschutzziele in Deutschland und Europa zu erreichen, brauchen wir den schnellen Hochlauf aller denkbaren klimaneutralen Technologien. Dies gilt insbesondere bei der technologieneutralen Ausgestaltung der CO2-Emissionsstandards auch für neue schwere Nutzfahrzeuge. Erneuerbare Kraftstoffe helfen bereits heute, verkehrsbedingte CO2-Emissionen erheblich und rasch zu reduzieren, da sie im Bestand wirken. Die Bundesregierung muss sich deshalb bei den anstehenden Verhandlungen im Europäischen Rat für einen Carbon-Correction-Factor einsetzen, der die CO2-Einsparungen durch erneuerbare Kraftstoffe berücksichtigt und anerkennt. Nur so gelingt ein schneller und effektiver Klimaschutz im Verkehrssektor.“

Den offenen Brief finden Sie hier in der reinen Textform – unten auf der Seite mit den Logos der beteiligten Unternehmen und Verbände zum Download:

Berlin. Wir, die unterzeichnenden Unternehmen und Verbände der Logistik- und Busbranche sowie der Kraftstoff-, Nutzfahrzeug- und Zulieferindustrie unterstützen nachdrücklich das Ziel der Klimaneutralität bis 2045. In diesem Zusammenhang unterstreichen wir die Bedeutung einer technologieneutralen Ausgestaltung der Verordnung (EU) 2019/1242 über CO2-Emissionsstandards für neue schwere Nutzfahrzeuge, im Zuge der laufenden Überarbeitung (2023/0042(COD).

Die Bundesregierung sollte sich in den anstehenden Verhandlungen im Rat für eine technologieneutrale Regelung mit Anerkennung erneuerbarer Kraftstoffe einsetzen, um effektiveren und schnelleren Klimaschutz im Verkehrssektor zu ermöglichen.

Bei schweren Nutzfahrzeugen stellt die Transformation zur Klimaneutralität eine große Herausforderung dar. Das Transportaufkommen im Güter- und Personenverkehr wird weiter steigen (BMDV 2023, Gleitende Langfrist-Verkehrsprognose bis 2051). Dies wird trotz laufender Effizienzsteigerungen bei den Fahrzeugen und trotz Bündelung der Verkehre, aufgrund der überwiegend fossil betriebenen Bestandsflotte, zu einem Anstieg der CO2-Emissionen führen.

Einzig eine technologieneutrale Ausgestaltung der CO2-Regulierung für neue schwere Nutzfahrzeuge führt zu einem wirksamen Klimaschutz. Lokal CO2-emissionsfreie Nutzfahrzeuge werden in der Zukunft eine wichtige Rolle für den Klimaschutz spielen.

Angesichts der nur schrittweisen Marktdurchdringung emissionsfreier schwerer Nutzfahrzeuge, der Unsicherheit über die Marktakzeptanz seitens der Flottenbetreiber und des nur langsamen Aufbaus eines angemessenen Tank- und Ladenetzes, müssen alle Optionen für einen wirksamen Klimaschutz regulatorisch ermöglicht werden.

Erneuerbare Kraftstoffe leisten bereits heute einen erheblichen Beitrag zur Reduktion verkehrsbedingter CO2-Emissionen und müssen daher Berücksichtigung finden.

Im Bereich der erneuerbaren Kraftstoffe bestätigen Studien, u. a. des Fraunhofer Instituts1, ein erhebliches Mengenpotenzial, das noch erschlossen werden kann. Umso bedauerlicher ist es, dass der Beitrag dieser Kraftstoffe nicht anerkannt wird.2 Der Hochlauf wird europaweit durch gezielte Fördermaßnahmen unterstützt. Der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission zu CO2-Emissionsstandards für schwere Nutzfahrzeuge konterkariert diese Bemühungen. Es gilt nun, diese Klimaschutzbemühungen durch zusätzliche Anreize weiter zu unterstützen.

Der Kommissionsvorschlag zur Überarbeitung der Verordnung (EU) 2019/1242 zu CO2-Emissionsstandards für neue schwere Nutzfahrzeuge ist nicht technologieneutral.

Der Regelungsvorschlag führt zu einer technologischen Festlegung auf batterieelektrische- und brennstoffzellenelektrische Antriebe sowie Wasserstoffmotoren. Aufgrund der ausschließlichen Betrachtung des Emissionsausstoßes am Endrohr können die Fahrzeughersteller und Zulieferer nur auf diese Technologien zurückgreifen, um die spezifischen CO2-Reduktionsziele zu erreichen; der Einsatz erneuerbarer Kraftstoffe wird nicht berücksichtigt und letztlich bestraft. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor werden dadurch unabhängig von der Antriebsenergie benachteiligt. Diese technologische Festlegung schränkt die Möglichkeiten von Speditionen, Transport- sowie Busunternehmen ein, durch den Einsatz erneuerbarer Kraftstoffe wie Bio-LNG, eLNG, Bio-CNG, HVO100, B100 und auch künftig strombasierte synthetische Kraftstoffe Nutzfahrzeuge klimaneutral bzw. emissionsarm zu betreiben. Darüber hinaus besteht ein hohes Potenzial zur Einsparung von CO2-Emissionen durch den Einsatz erneuerbarer Kraftstoffe für den Antrieb von Nebenaggregaten am Fahrzeug, wie z. B. Kühlgeräten.

Der Carbon-Correction-Factor fördert den Hochlauf erneuerbarer Kraftstoffe und sorgt für mehr Klimaschutz durch Technologieneutralität.

Damit erneuerbare Kraftstoffe ihre entscheidende Rolle bei der Transformation des Nutzfahrzeugsektors spielen können, muss das für die CO2-Regulierung notwendige Fahrzeug-Emissionsberechnungstool VECTO um einen technologieneutralen Kraftstofffaktor ergänzt werden. Derzeit arbeitet das VECTO-Tool unter der irrtümlichen Annahme, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ausschließlich mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden. Dies entspricht jedoch nicht der Realität in Europa. In der EU-Datenbank Shares3 werden die heute im Verkehr eingesetzten Mengen an erneuerbaren Kraftstoffen erfasst. Basierend auf diesen Daten kann der Kraftstofffaktor bei der endgültigen Zertifizierung der CO2-Emissionen des Fahrzeugs den tatsächlich geleisteten Emissions-Reduktionsbeitrag dieser Kraftstoffe berücksichtigen. Diese Anpassung wird als Carbon-Correction-Factor bezeichnet und ermöglicht eine faire und realistische Berechnung der CO2-Emissionswerte eines Fahrzeugs.

Als Beispiel sei hier CNG/LNG genannt: Rund 15 % der in der EU getankten Menge stammen aus biogenen Quellen (Shares-Daten 2021). Es ist nicht nachvollziehbar, dass dieser Emissions-Reduktionsbeitrag den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren nicht angerechnet wird. Durch die fälschliche Annahme eines 100 % fossilen Betriebs können CO2-Strafzahlungen von bis zu 10.000 Euro fällig werden. Diese ungerechtfertigten Kosten führen schlussendlich zu vermeidbaren volkswirtschaftlichen Mehrbelastungen. Durch den Carbon-Correction-Factor kann dieser Missstand behoben und der weitere Hochlauf aller erneuerbaren Kraftstoffe gefördert werden.

Wir appellieren daher an die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene aktiv für die Einführung eines Carbon-Correction-Factors in die Regelung der CO2-Emissionsstandards für schwere Nutzfahrzeuge einzusetzen.

In der aktuell vorliegenden Position der Bundesregierung zum Regelungsvorschlag werden erneuerbare Kraftstoffe nicht berücksichtigt. Wir, die unterzeichnenden Unternehmen und Verbände der Logistik- und Busbranche sowie der Kraftstoff-, Nutzfahrzeug- und Zulieferindustrie rufen Sie auf, sich für einen ganzheitlichen Klimaschutz durch Einführung des Carbon-Correction-Factors einzusetzen. Gemeinsame Anstrengungen und eine technologieneutrale Ausgestaltung der CO2-Regulierung lassen uns die ambitionierten Klimaziele erreichen und die Transformation des Nutzfahrzeugsektors in Europa gelingen.

  1. Fraunhofer: www.isi.fraunhofer.de/content/dam/isi/dokumente/cce/2019/klimabilanz-kosten-potenziale-antriebe-pkw-lkw.pdf. (S.54). Abgerufen am: 04.09.2023.
  2. DENA: www.dena.de/fileadmin/powerfuels.org/Dokumente/Global_Alliance_Powerfuels_Study_Powerfuels_in_a_Rene-wable_Energy_World.pdf. Abgerufen am: 07.09.2023.
  3. Share: ec.europa.eu/eurostat/web/energy/database. Abgerufen am: 04.09.2023.