Heute (20. November) steht das Europaparlament vor einer entscheidenden Weichenstellung: Die Nominierung der neuen EU-Kommission könnte Realität werden – vorausgesetzt, die Fraktionssitzung der Sozialdemokraten (S&D) liefert grünes Licht. Eine Schlüsselrolle spielt dabei Iratxe García Pérez, die Fraktionschefin der S&D. Sie muss ihre Parteikollegen überzeugen, zwei umstrittenen Kandidaten zuzustimmen: Raffaele Fitto, nominiert als Exekutiv-Vizepräsident, und Olivér Várhelyi, Ungarns Kandidat für Gesundheit und Tierwohl.

Der Widerstand in den eigenen Reihen ist enorm. Insbesondere der Deutsche René Repasi, Vorsitzender der SPD-Abgeordneten, zeigte sich am Montagabend unnachgiebig: „Ein Vizepräsident Fitto ist schlicht nicht akzeptabel.“ Fitto wird von der rechten italienischen Regierung unter Giorgia Meloni entsandt, während Várhelyi als Vertrauter des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán gilt.

Sánchez und die Macht der Vermittlung

Dass García Pérez dennoch bereit ist, diesen Schritt zu gehen, hat sie am Wochenende offenbar dem Druck des spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez zu verdanken. Sánchez, ein gewichtiger Akteur innerhalb der europäischen Sozialisten, forderte sie auf, Kompromisse zu machen, um die institutionelle Stabilität der EU nicht zu gefährden.

Doch die Argumente der Fraktionschefin könnten dünn ausfallen. Laut Insidern ist ihr größter Erfolg lediglich die Einschränkung von Várhelyis Zuständigkeiten: Der umstrittene Ungar wird künftig nicht mehr für sexuell-reproduktive Medizin zuständig sein. Zudem soll die rumänische Sozialdemokratin Roxana Mînzatu das Portfolio für Arbeitnehmerrechte übernehmen, wobei diese Zuständigkeit nun auch explizit im Titel genannt werden soll.

Pro-europäische Allianz als Schlüssel?

Ein Lichtblick für die Einigung könnte eine neue Kooperationsvereinbarung zwischen den Fraktionen EVP, S&D und Renew sein. Die drei politischen Gruppen planen offenbar, eine Allianz der „pro-europäischen Mitte“ zu schmieden. Eine entsprechende Erklärung soll spätestens zur Plenarsitzung nächste Woche vorliegen. Diese Allianz, die sich eng an den Leitlinien von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen orientieren würde, könnte eine strategische Mehrheit im Parlament sichern und damit verhindern, dass die EVP auf Stimmen rechtsradikaler Parteien angewiesen ist.

Bedeutung für das Kfz-Gewerbe

Die möglichen Personalentscheidungen in der EU-Kommission könnten die Automobilwirtschaft in Europa erheblich beeinflussen – insbesondere durch die Ernennung von Teresa Ribera, der spanischen Kandidatin für das Ressort „Just Transition“. Ribera gilt als erklärte Befürworterin von Elektromobilität und dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Ihre Politik dürfte den Übergang zu einer klimaneutralen Mobilität weiter vorantreiben, was für Kfz-Händler, Zulieferer und Hersteller sowohl Chancen als auch Herausforderungen bedeutet. Besonders für Betriebe, die noch stark auf Verbrennerfahrzeuge setzen, könnte Riberas Agenda eine tiefgreifende Transformation erforderlich machen.

Ein weiterer entscheidender Faktor wird Stéphane Séjourné, der Vorsitzende der liberalen Renew-Fraktion, sein. Er hat angekündigt, innerhalb der ersten 100 Tage der neuen Kommission einen Vorschlag für sektorspezifische Regulierungen zu Fahrzeugdaten, Funktionen und Ressourcen zu veröffentlichen. Diese neuen Vorgaben könnten die Art und Weise, wie Hersteller und Werkstätten mit Fahrzeugdaten umgehen, revolutionieren und damit Einfluss auf Geschäftsmodelle in der Branche nehmen.

Schließlich hängt auch die Zukunft der EU-Flottengrenzwerte für CO₂-Emissionen maßgeblich von einer handlungsfähigen Kommission ab. Diese Vorgaben sind für die Automobilindustrie von zentraler Bedeutung, da sie die Planung und Entwicklung neuer Fahrzeugmodelle direkt beeinflussen. Ohne eine schnelle Einigung auf die neue Kommission drohen Verzögerungen wichtiger Entscheidungen – ein Unsicherheitsfaktor für Hersteller und Händler gleichermaßen.

Die heutige Entscheidung über die Kommissionszusammensetzung ist daher nicht nur politisch bedeutsam, sondern auch richtungsweisend für die Zukunft des europäischen Kfz-Gewerbes. Klar ist: Der ZDK wird die Entwicklungen in Brüssel aktiv beeinflussen, denn die Weichen für Klimaschutz, digitale Innovationen und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit stehen auf dem Spiel.

Beim ersten Stakeholderdialog „Zugang zu Fahrzeugdaten“ des BMWK und BMDV forderte der ZDK eine zügige Veröffentlichung der sektorspezifischen Regulierung (SSL) durch die EU-Kommission. Der Dialog zeigte die Einigkeit des deutschen Aftermarkets. Die SSL muss den Zugang zu Fahrzeugdaten regeln, der bislang OEMs vorbehalten ist. Initiiert vom ZDK appellieren die großen Verbände des deutschen Aftermarkets an die Bundesminister Habeck und Wissing, Druck auf Brüssel auszuüben, da weitere Verzögerungen der Regulierung nur den OEMs nutzen.

In ihrem Appell fordert die Verbändeallianz Bundeswirtschaftsminister Habeck und Bundesverkehrsminister Wissing auf, sich bei der EU-Kommission für eine europäische sektorspezifische Regulierung einzusetzen, um den diskriminierungsfreien Zugang zu fahrzeuggenerierten Daten, Funktionen und Ressourcen sicherzustellen. Diese Regulierung ist essenziell, um innovative Dienstleistungen im Automobilbereich zu fördern, die Verkehrssicherheit zu verbessern und einen modernen Verbraucherschutz zu gewährleisten. Der bestehende Data Act genügt diesen Anforderungen nicht, da er sich lediglich auf den Zugriff und die Weiterleitung von Daten beschränkt, ohne einen vollständigen Zugang und die digitale Interaktion mit dem Fahrzeug zu ermöglichen.

Der Data Act erlaubt zwar Nutzern, Daten zu teilen, bietet jedoch keine Rahmenbedingungen für das tiefergehende Eingreifen in Fahrzeugfunktionen, das zur Umsetzung digitaler Dienste nötig ist. Dies betrifft besonders sicherheitskritische Anwendungen wie die Optimierung von Ladevorgängen für Elektrofahrzeuge oder die Integration intelligenter Ersatzteile. Da der Data Act diese Dienste nicht autorisiert und keine umfassenden Sicherheitsstandards für digitale Interaktionen setzt, wird eine SSL (sektorspezifische Regulierung) notwendig.

Die SSL soll die Lücken des Data Act füllen, indem sie digitale Leistungen am Fahrzeug regelt und die Nutzung von Fahrzeugressourcen wie Speicherplatz und Bandbreite ermöglicht. Sie sollte klare Vorgaben für das Cyber-Sicherheitsmanagement und die Produktüberwachung enthalten, um hohe Sicherheitsstandards für digitale Fahrzeugservices zu gewährleisten. Darüber hinaus muss die SSL wettbewerbsrechtliche und vertragliche Grundlagen schaffen, die den freien Wettbewerb in der Automobilbranche unterstützen. Diese umfassen wirtschaftliche und technische Anforderungen an Services und Produkte, die letztlich den Zugang und die Nutzung innovativer Angebote fördern.

Die wachsende Marktmacht amerikanischer Anbieter im Bereich On-board-Infotainment zeigt, dass eine SSL für den Aufbau eines wettbewerbsfähigen digitalen Binnenmarktes im Automobilsektor unverzichtbar ist. Ein solcher Binnenmarkt wäre erforderlich, um die europäische Wettbewerbsfähigkeit gegenüber globalen Marktführern zu stärken.

Der ZDK und andere Akteure des Automobilsektors appellieren daher an die deutsche Regierung, sich an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu wenden und auf eine schnelle Umsetzung der SSL hinzuwirken. Der nationale Stakeholderdialog der zuständigen Ministerien ist ein guter erster Schritt, der wichtige Empfehlungen zur Festlegung des Daten-Ökosystems bieten kann.

Der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments hat nach einer dreistündigen Anhörung die Nominierung von Apostolos Tzitzikostas als Verkehrskommissar bestätigt. Tzitzikostas hat bei seiner Anhörung im Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments erneut sein Versprechen bekräftigt, die Emissionen im Transportsektor zu senken und die Automobilindustrie bei der Umstellung auf klimafreundliche Technologien zu unterstützen. Besonders betonte er, dass die EU Maßnahmen ergreifen müsse, um den Wandel zur Elektromobilität in der Branche zu fördern.

Tzitzikostas unterstützte grundsätzlich die Elektrifizierung von Firmenflotten, blieb jedoch in seinen Aussagen vage, als er gefragt wurde, ob er sich zur Einführung verpflichtender gesetzlicher Zielvorgaben für die Elektrifizierung von Unternehmensflotten bekennen würde. Nach einer längeren Pause äußerte er seine Unterstützung für die Initiative, machte jedoch keine konkreten Angaben, wie ein solcher Vorschlag aussehen könnte. Er betonte jedoch, dass eine Elektrifizierung von Firmenflotten – die mehr als die Hälfte aller Neuwagen in der EU ausmachen – die Emissionen verringern und zugleich den Gebrauchtwagenmarkt mit erschwinglicheren Elektrofahrzeugen stärken würde.

Zum Thema der CO₂-Emissionsziele bis 2035 betonte Tzitzikostas, dass die EU am bestehenden Plan festhalten müsse. Diese Position verteidigte er gegenüber dem Abgeordneten Jens Gieseke (EPP), der die Aufhebung des Verkaufsverbots für Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 gefordert hatte. Tzitzikostas bestätigte, dass die Regelungen sowohl für das Jahr 2035 als auch die Reduktionsziele für das kommende Jahr unverändert bleiben, und Automobilhersteller bei Nichterfüllung mit Strafen rechnen müssen.

Ein Zugeständnis machte er jedoch gegenüber einer zentralen Forderung der EPP: Die Einbeziehung synthetischer Kraftstoffe in die Gesetzgebung. Wie bereits von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt, sollen E-Fuels im Rahmen der Gesetzesüberprüfung 2026 eine Ausnahme erhalten. Tzitzikostas bestätigte diese Linie und sprach sich gleichzeitig für weitere Investitionen in die Ladeinfrastruktur in der gesamten EU aus.

In Reaktion auf Kritik am Grünen Deal verteidigte Tzitzikostas die Klimapolitik der EU. Er stellte klar: „Die EU muss der Automobilindustrie helfen, den Wandel zur Elektromobilität zu schaffen.“

Zusätzlich betonte Tzitzikostas seine Verpflichtung zur Technologieoffenheit und versprach, das Potenzial von Automatisierung und Datennutzung vollständig auszuschöpfen, um die europäische Produktion zu sichern. Hierbei verwies er allerdings auf bestehende Gesetzgebung bzw bereits vorgelegte Vorhaben wie den EU Mobility Data Space. Der Zugang zu Fahrzeugdaten, Funktionen und Ressourcen wurde nicht erwähnt. Er kündigte außerdem eine baldige Veröffentlichung der überarbeiteten Fahrzeugsicherheitsverordnung an, die ebenfalls Maßnahmen zur Bekämpfung von Tachomanipulationen enthalten soll.

Im Anschluss an die Anhörung wurde Tzitzikostas mit der Zustimmung des Verkehrsausschusses als neuer Verkehrskommissar bestätigt.

September 2024. Vertreter des ZDK waren am 23. September an der von der Bundesregierung ausgerichteten CSDDD-Konferenz in Brüssel eingeladen. Im Fokus stand die anstehende Umsetzung der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), dem europäischen Lieferkettengesetz, die vor allem in der Wirtschaft als große Herausforderung angesehen wird. Alle EU-Mitgliedstaaten müssen bis 2026, also innerhalb des kurzen Zeitraumes von zwei Jahren, die CSDDD in nationales Recht umsetzen. Das wird besonders für die betroffenen Unternehmen und die Zulieferer eine Mammutaufgabe, da die Einhaltung der Vorgaben Geld, Ressourcen und auch Zeit in Anspruch nehmen wird.

Der ZDK unterstützt grundsätzlich die Ziele der CSDDD hinsichtlich der Einhaltung von Menschenrechten und der Nachhaltigkeit in globalen Lieferketten. Allerdings ist der ZDK der Auffassung, dass es sich hierbei um staatliche Hoheitsaufgaben handelt, die auch von den jeweiligen staatlichen Stellen kontrolliert werden müssen. Die Bundesregierung könnte beispielsweise die Gewährung von Entwicklungshilfe oder auch andere Maßnahmen der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit an die Einhaltung von Sozialstandards knüpfen. Zwar sollen die betroffenen Unternehmen bei der Implementierung möglichst viel Unterstützung seitens der Politik erhalten. Das beginnt bei der konkreten Formulierung und erfordert neben unterstützenden Webinaren und Guidelines für die Unternehmen auch eine möglichst hohe Transparenz im gesamten CSDDD-Prozess. Der ZDK wird das Thema weiterhin begleiten und seine Mitglieder in regelmäßigen Abständen über die gesetzlichen Anforderungen informieren. Kritik ist dennoch an der Delegierung hoheitlicher Aufgaben an die Unternehmen zu üben, die letztlich zu mehr Bürokratie und Berichtspflichten auch für Unternehmen führt, die eigentlich von der Richtlinie nicht betroffen sind. Aber als Zulieferer kommen die Berichtspflichten von Großkunden häufig dann doch durch die Hintertür auf den Mittelstand zu und erzeugen unnötige Frustration.

Juli 2024. Der Versand des Positionspapiers zu Fahrzeugdaten, Funktionen und Ressourcen war ein großer Erfolg. Mit der Überarbeitung des Annex X und dem Vorschlag zur Verwertung von Altfahrzeugen liegen bereits wichtige Themen vor. Das Thema der PKW-Emissionen war eines der wichtigsten Themen im Wahlkampf. Hierzu hat der ZDK bereits mit allen relevanten politischen Gruppen gesprochen, und jetzt stehen auch die Ausschüsse fest. Nach der parlamentarischen Sommerpause wird der ZDK den Austausch mit den Vorsitzenden sowie anderen wichtigen Abgeordneten suchen, sowohl in Brüssel als auch im Wahlkreis.

Die wichtigsten deutschen Abgeordneten in gewählten Positionen sind:

Erste Vizepräsidentin: Sabine Verheyen (CDU)

Vizepräsidentin: Katharina Barley (SPD)

Ausschussvorsitzender Auswärtige Angelegenheiten: David McAllister (CDU)

Ausschussvorsitzender Internationalen Handel: Bernd Lange (SPD)

Ausschussvorsitzende Binnenmarkt und Verbraucherschutz: Anna Cavazzini (Grüne)

Ausschussvorsitzende Kultur und Bildung: Nela Riehl (VOLT)

Stellv. Ausschussvorsitzende Budget: Monika Hohlmeier (CSU)

Stellv. Ausschussvorsitzender Wirtschaft und Währung: Damian Boeselager (VOLT)

Stellv. Ausschussvorsitzender Landwirtschaft: Norbert Lins (CDU)

Stellv. Ausschussvorsitzende Arbeit und Soziales: Kathrin Langensiepen (Grüne)

Stellv. Ausschussvorsitzender Binnenmarkt und Verbraucherschutz: Christian Doleschal (CSU)

Stellv. Ausschussvorsitzende Entwicklungs: Hildegard Bentele (Grüne)

Stellv. Ausschussvorsitzende Justiz: Marion Walsmann (CDU)

Vorsitzende des Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung: Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP)

Die gesamte Liste der Ausschussvorsitzenden finden Sie hier.