Ampel steht auf Rot

Die Ereignisse im politischen Berlin haben sich seit dem 6. November nahezu stündlich überschlagen. Nach dem 1A–Rausschmiss  von Bundesfinanzminister Christian Lindner aus dem Bundeskabinett durch Bundeskanzler Olaf Scholz haben kurze Zeit später alle bis auf einen FDP-Bundesminister ihren Rücktritt erklärt. Völlig unbeachtet blieb ein für den Koalitionsausschuss vorbereitetes Papier von Bundeskanzler Olaf Scholz, der für die Automobilwirtschaft ein 400 Millionen EUR Paket schnüren wollte. Es waren aber nicht die 400 Millionen EUR, die das Ende der der Koalition besiegelten, sondern ein Gesamtvolumen von 15 Milliarden EUR als Haushaltnotlage deklariertes Sondervermögen, von dem lediglich drei Milliarden zusätzliche Ukrainehilfen darstellten.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte sich schon durch einen vor wenigen Tagen veröffentlichten Gastbeitrag in der FAZ für einen Verbleib der FDP in der Ampel-Koalition ausgesprochen und ist damit auf einen abweichenden Kurs gegenüber Parteichef Christian Lindner gegangen. Der entscheidenden Fraktionssitzung gestern Nacht blieb er fern, in der die FDP-Bundestagsfraktion ihren Exit aus der Ampelkoalition beschloss. Wissing hat stattdessen heute Morgen seinen Austritt aus der FDP mitgeteilt und damit seinen Verbleib im Bundeskabinett bekräftigt. Als Belohnung für diese Kanzlertreue wird er den Posten des zurückgetreten Bundesjustizministers Buschmann zusätzlich übernehmen und quasi zum Superminister für Verkehr, Digtiales und Justiz.

Nahezu zeitgleich haben die drei parlamentarischen Staatssekretäre im Bundesverkehrsministerium Oliver Luksic, Daniela Kluckert und der erst kürzlich für Michael Theurer nachgerückte  Gero Hocker ihren Rücktritt erklärt, da sie sich eine Zusammenarbeit mit dem nunmehr parteilosen Wissing nicht mehr vorstellen können. "Besser nicht regieren als Parteiloyalität aufgeben", könnte hier die neue Losung der Liberalen lauten. 

Ganz in den Hintergrund geraten ist angesichts der Personaldebatte aber das vorbereitete Antwortpapier des Bundeskanzlers auf die jeweils individuell vorgeschlagenen Ideen von Bundeswirtschaftsminister Habeck und Bundesfinanzminister Lindner zur Stärkung der Wirtschaft, nämlich die "Agenda für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze". Hätte er diese doch besser "Agenda 2030" getauft und vorher an die Presse durchgestoßen, dann gäbe es die Ampel vielleicht noch und wir hätten von den bekannten aber trotzdem guten Ideen Kenntnis nehmen dürfen.

Denn hierin ist zu lesen, dass ein Bundeszuschuss zu den Netzentgelten in Höhe von 1,3 Milliarden EUR im nächsten Jahr gezahlt werden soll, um insbesondere die Stromrechnung für Verbraucherinnen und Verbraucher gleich zu halten und Preissteigerungen zu vermeiden. Diese auch vom ZDK vorgetragene Forderung - wobei wir sogar eine Senkung der Netzentgelte gefordert haben - würde zumindest zu keiner weiteren Kostensteigerung beim Strompreis führen.

Neben zahlreichen industriepolitischen Fördermaßnahmen (mit dem Mittelstand fremdelt die SPD halt noch)  soll es auch ein zusätzliches Paket für Automobilarbeitsplätze (gemeint sind natürlich die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie!) geben, das insgesamt ein Volumen von 400 Millionen EUR umfassen soll. Hierbei geht es konkret um die zusätzliche degressive Abschreibung für Elektrofahrzeuge, die Befreiung von der KFZ-Steuer für Elektrofahrzeuge bis Ende 2030, sowie die Förderung der Forschung von Batteriezellen und spezielle Förderquoten für das sogenannte Depotladen im Betriebshof und in Logistikhubs für Nutzfahrzeuge. Ein weiterer Wunsch des ZDK, bei den Ladensäulen für mehr Transparenz bei den Preisen zu sorgen, soll im Zuge einer europäischen Ladesäulenverordnung bis 2025 erfolgen. Eine weitere Gefälligkeit für die deutsche Automobilindustrie soll ein Aussetzen etwaiger Strafzahlungen bei Überschreiten der CO2-Flottengrenzwerte im kommenden Jahr sein. Zumindest dem Papier nach wolle der Bundeskanzler sich hierfür stark machen. 

Der ZDK hat mit allen demokratischen Fraktionen im Deutschen Bundestag Gespräche geführt, so dass insbesondere bei den aktuellen Themen für die mittelständische Automobilwirtschaft wichtige Ansprechpartner neben dem Bundesverkehrsministerium bestehen. Insbesondere in der Bundestagsfraktion der SPD, und hoffentlich auch in dem künftig von der SPD geführten Finanzministerium, herrscht Offenheit für eine Elektrofahrzeugförderung.  Diese ist zwar noch in einer Abwrackprämie eingebunden, aber der frisch gebackene Bundesfinanzminister Jörg Kukies hatte sich in vergangenen Diskussionen als Staatssekretär im Bundeskanzleramt mit ZDK Präsident Arne Joswig sehr aufgeschlossen für die Belange des deutschen Kfz Gewerbes gezeigt. Ob er bereit sein wird, diese als neuer Finanzminister auch umzusetzen, wird in den nächsten Wochen festzustellen sein. Zumindest ist Kukies - anders als sein Amtsvorgänger Lindner - für konjunkturelle Hilfspakete wie eine E-Fahrzeugförderung offener. Der gebürtige Mainzer ist seit 2018 treuer Weggefährte von Olaf Scholz, sowohl als beamteter Staatsekretär im Bundesfinanzministerium von 2018 bis 2021 und als Staatsminister im Bundeskanzleramt von 2021 bis 2024. Vor seiner politischen Karriere war er  erfolgreicher GoldmanSachs Manager und bringt fundierte Kenntnis von Finanzmärkten und Wirtschaft mit.