Prinzip Kunzmann: „Wir bilden jetzt die Zukunft aus“

Das Team Kunzmann erreichte den 1. Platz beim AutoBerufe Award. Foto: Nina Dietzel, Dinias

Prinzip Kunzmann: „Wir bilden jetzt die Zukunft aus“

Das Aschaffenburger Autohaus bietet seinen Azubis mehr als eine 08/15-Ausbildung. Wer hier lernt, lernt fürs Leben - und bleibt.

Diesmal ging es zur Begrüßung der neuen Azubis nicht ins Trainingslager auf Burg Rothenfels. Keine Spiele, keine Übernachtung, keine Grillwürste am Lagerfeuer. Es ist Corona-Zeit. Beschnuppern konnten sich dennoch alle. Das Autohaus Kunzmann lud die 60 „Youngtimer“ zum Kennenlernen auf das Gut Hühnerhof in Gründau-Gettenbach. Azubis und Geschäftsleitung stellten sich in selbstgedrehten Videos vor. Es gab ein Meet and Greet, Infos über Karriere und Projekte, ein Video-Voting und das Gruppenfoto – mit Abstand, versteht sich. Vieles digital, perfekt für die online-affine Generation Z.

Corona hat in der Ausbildung bei Kunzmann vieles auf den Kopf gestellt, aber auch vieles vorangetrieben. Praktika, Besuche in den Schulen oder Projekte wie der Girls‘ Day sind unter den Tisch gefallen. „Deshalb an der Ausbildung zu rütteln, wäre das falsche Signal gewesen. Schließlich bilden wir jetzt die Zukunft aus“, sagt Petra Bechtel, Ausbildungsleiterin für den kaufmännischen Bereich.

Recruiting wandert ins Netz

Der Mercedes-Händler mit seinen 10 Standorten und über 1.100 Mitarbeitern im Rhein-Main-Gebiet setzt auf digitale Medien. Bechtel: „Wenn wir nicht in die Schulen und die Eltern nicht zu uns kommen können, informieren wir online.“ Die Eltern der künftigen Azubis erhalten anstelle der persönlichen Einführungsrunde Film-Botschaften. Die Schüler lädt Kunzmann zum Chat und schickt den Lehrern eine Filmreihe, in denen Azubis auf virtuellen Rundgängen Betrieb und Berufe vorstellen. Konzipiert, gedreht und präsentiert von den Auszubildenden selbst. Dass die Ansprache genau den Nerv der Schüler trifft - umso besser.

Auch der innerbetriebliche Unterricht und der Realtalk - Azubis interviewen dreimal im Jahr Mitarbeiter in besonderen Jobs oder Führungspersönlichkeiten – sind mit Plattformen wie Microsoft Teams und SurveyMonkey ins Netz gewandert. In der Pipeline befinden sich Video-Bewerbungen für den Bereich Marketingkommunikation und die Automobil- und Veranstaltungskaufleute. Ausbildungsberufe, die stark präsentieren müssen. Petra Bechtel: „Der Video-Talk ersetzt aber nicht das persönliche Gespräch. Die Bewerber schauen wir uns immer noch live an. Wie konzentriert arbeiten die Jugendlichen? Wie treten sie auf? Die soziale Kompetenz ist wichtiger als die Drei in Mathe.“

Projekte erhöhen Eigenverantwortung

Mit den neuen Medien allein ist es natürlich nicht getan. Die Geschäftsleitung spricht von neuen Wegen in der Berufsausbildung, vom entscheidenden Level mehr. Und meint damit vor allem die Eigenverantwortung der Azubis.  Dass die sich am besten mit Projekten durchsetzen lässt, kommt an. Die Jugendlichen arbeiten an 25 Vorhaben, organisieren unter anderem ihre Freisprechungsfeier, den Realtalk, soziale Projekte und den Elterninfoabend.

Auch die Betreuung der Praktikanten liegt seit kurzem in ihren Händen: Empfang, Rundgang, Vorstellung des eigenen Jobs – das ganze Programm. Sie üben das Gespräch auf Augenhöhe, die Organisation und geben Begeisterung weiter. „Das ist besser als jede Print-Anzeige oder der Like auf Instagram“, weiß Petra Bechtel. Alina, Johannes, Christian & Co. sind authentisch und wie die Eltern die wichtigsten Ratgeber bei der Ausbildungssuche. Immerhin: Jeder zweite Praktikant startet sein Berufsleben bei Kunzmann.

Das Konzept geht auf: Für die rund 60 Ausbildungsplätze jährlich interessieren sich im Schnitt 1.300 bis 1.500 Jugendliche. Wohlwissend, dass sich nach der Lehre 80 bis 90 Prozent der Azubis über einen festen Job freuen.   

Über den Tellerrand schauen schafft Kompetenz

Viele Betriebe bilden bedarfsgerecht aus. Das heißt: Kfz-Mechatroniker bleiben in der Ausbildung dreieinhalb Jahre oft in der Werkstatt hängen. Nicht so bei Kunzmann. Alle zwei bis drei Monate durchlaufen viele Azubis eine andere Abteilung. Die künftigen Automobilkaufleute schnuppern Werkstatt-, die Kfz-Mechatroniker E-Commerce-Luft. So bekommen die Jugendlichen Verständnis für die Arbeit der Kollegen, können sich entsprechend ihren Stärken weiterbilden oder die Ausbildung vielleicht mal wechseln.

Genau dafür gibt es die Kunzmann Akademie. Schon mit der Ausbildung beginnt die Weiterbildung. Wie die Mitarbeiter gefordert und gefördert werden, so sorgt sich das Autohaus um den Nachwuchs. Jeder weiß, wo er steht und wer das Zeug zur Fach- oder Führungskraft hat. Talente erhalten zusätzlichen Input, können auf Wunsch auch zum dualen Studium an die BHBW Mannheim wechseln.

Am Start steht das Programm #zukunftswerkstatt: Zweimal jährlich werden alle Azubis geprüft und beurteilt. Wer es im Ranking an die Spitze schafft, kann wählen: Soll es ein Wochenende mit dem AMG sein? Oder doch besser die spezielle Schulung, die die Ausbildung nicht vorsieht? Man darf gespannt sein, was sich die Geschäftsleitung noch einfallen lässt.

Die sozialen Projekte im Altenheim, in der Kinder- und Jugendpsychiatrie oder im Café Grenzenlos möchte jedenfalls keiner der insgesamt rund 200 Azubis missen. Auch wenn es anfangs Unsicherheiten und Vorbehalte gibt. Wer weiß schon, worüber man mit älteren Menschen redet, welche Nöte psychisch kranke Kinder haben oder wer ins Café kommt? Für das freiwillige Praktikum dort stellt Kunzmann die Jugendlichen eine Woche bezahlt frei. „Zurück kommen sie mit einem Koffer voller Erfahrungen“, freut sich Petra Bechtel. „Und die sind mehr wert als eine Woche im Kundendienst.“

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Da müssen viele vieles richtig machen. Kunzmann ist in der Rhein-Main-Region nicht nur ein großer Arbeitgeber, sondern eine Marke und die Ausbildung ein entscheidender Teil davon. Dass die Arbeit anerkannt wird, bekamen die Aschaffenburger 2019 schriftlich. Sie gewannen den AutoBerufe Award, den Bildungspreis des deutschen Kfz-Gewerbes. Der Bewerber-Film entstand – logisch, in Regie der Azubis.

 

Foto: Nina Dietzel, Dinias