Wenn Assistenzsysteme nicht mehr assistieren

Augen auf im Straßenverkehr – das gilt nicht nur für das wichtigste menschliche Sinnesorgan. Fahrerassistenzsysteme helfen mit Hilfe von Sensoren Unfälle zu vermeiden und erleichtern auch sonst das Fahren. Viele sind in Neufahrzeugen mittlerweile Pflicht, aktuell ab Juli unter anderem Notbremsassistent, aktiver Spurhalteassistent und Rückfahrassistent.

Dumm nur, wenn besonders im Winter bei Schlechtwetter die Assistenten abschalten oder nur eingeschränkt funktionieren. Nicht immer sind sie defekt. Reicht es da schon, deren „Augen“ von Schmutz, Eis oder Schnee zu befreien? Und wie gelingt das? Wolfgang Sigloch von Dekra über Ursachen, „erste Hilfe“ und die Verantwortung der Autofahrer.

Welche Fahrerassistenzsysteme sind mit ihren „Augen“ besonders schmutz- oder kälteanfällig?

Schmutz ist in der Regel für die Sensorik von Assistenzsystemen kein Problem. Frontkameras haben den Vorteil, dass sie sich immer im überwischten Bereich der Scheibenwischer befinden. Sogenannte LiDAR-Systeme (Light Detection And Ranging) verfügen teilweise über spezielle Reinigungsvorrichtungen – ähnlich wie ein Scheinwerfer.

Was Eis und Schnee angeht, sind bei vielen Sensoren noch zusätzliche Heizungen verbaut. Im Falle eines besonders schweren Wintereinbruchs mit viel Niederschlag stoßen diese bezüglich des Freitauens der Sensoren aber mitunter an ihre Grenzen. Bei entsprechend kalter Witterung kann es dann zu einer Eispanzerbildung kommen.

Wie arbeiten diese Systeme? Und wie reagieren sie auf Dreck, Vereisung und Schnee?

Ein Radarsystem sendet elektromagnetische Wellen aus und empfängt entsprechende Reflektionen. LiDAR-Systeme erfassen ihre Umgebung mit Lichtsignalen und erarbeiten so hochauflösende 3D-Informationen, während Kamerasysteme optisch arbeiten. Ohne diese Informationen aus der Sensorik kann kein Assistenzsystem wirken.

Entscheidend ist bei allen Systemen, wie diese Sensordaten verarbeitet werden. Falls durch Eis und Schnee die Sensorsicht eingeschränkt ist, erhält der Fahrer im Display die Information, dass ein bestimmtes Assistenzsystem nicht zur Verfügung steht. Es wird dann nicht mehr eingreifen können.

Die Warnlampe leuchtet, oder das System fällt aus. Was sollten Autofahrer tun?

Fahrer müssen sich grundsätzlich immer bewusst sein, dass Assistenzsysteme genau das sind: Systeme, die beim Fahren assistieren – nicht mehr und nicht weniger. Sie unterstützen und können warnen oder eingreifen, wenn Fahrzeuglenker zum Beispiel kurz unaufmerksam sind oder falsch reagieren. Sie sind aber keine Autopiloten. Wenn die Meldung kommt, dass ein bestimmtes Assistenzsystem wegen eingeschränkter Sensorsicht nicht funktioniert, müssen sich Fahrer klar machen, dass sie diese Rückfallebene gegebenenfalls nicht mehr haben. Die Verantwortung bleibt bei ihnen.

Darf man die Systeme problemlos reinigen? Wenn ja, wie?

Die Frontkamera wird normale Sicht haben, wenn die Windschutzscheibe sauber von Schnee befreit und freigekratzt wurde. Andere Systeme sollten nur nach den Vorgaben des Herstellers in der Bedienungsanleitung gereinigt werden. Unbedingt zu vermeiden ist der mechanische Krafteintrag – also auf keinen Fall zum Beispiel dem Radarsensor mit dem Eiskratzer zu Leibe rücken.

Das setzt das Wissen voraus, wo sich Sensoren und Kameras befinden …

Die Bedienungsanleitung des Fahrzeugs ist die erste Adresse, um sich zu informieren. Wenn man hier nicht fündig wird, lohnt es sich, den örtlichen Vertragshändler anzusprechen. Internet-Recherche kann helfen, birgt aber immer auch das Potenzial, auf gefährliches Halbwissen zu stoßen.

Wer zahlt Schäden, die aufgrund eingeschränkter Funktion von Fahrerassistenzsystemen entstehen?

Klar ist: Ob mit oder ohne Assistenzsysteme liegt die Verantwortung immer bei der Person am Steuer. Niemand darf sich blind auf Assistenzsysteme verlassen. Wenn sie ausfallen, muss auch ohne sie so gefahren werden, dass niemand zu Schaden kommt. Ansonsten sind und bleiben Autofahrer in der Haftung. Einem ausgefallenen Assistenzsystem die Schuld für einen Unfall geben zu wollen – das wird nicht funktionieren.

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